Das erste Mal ist immer etwas ganz Besonderes. Man erinnert sich ein Leben lang daran, ob man will oder nicht. Mein erstes Mal geschah, als ich ungefähr 10 Jahre alt war. Ich habe in diesem Alter sehr viele wichtige Dinge entdeckt.
Zum Beispiel habe ich erfahren, dass es gefährlich ist, wenn man in einer geschlossenen Garage Feuer in einem Ofen macht, dessen Ofenrohr nicht an einem Kamin angeschlossen ist. Nun, es hatte schon sehr geraucht in der Garage. Aber bevor ich gar nichts mehr sehen konnte, habe ich dann doch die Tür aufgemacht und bin aus der Garage raus gegangen…
Dass es Unterschiede zwischen Mädchen und Buben gibt, das war mir immer schon klar. Aber ich wusste nicht so genau, warum es sie gab und welche es wären.
Ich war damals ganz vernarrt in das Schachspiel. Und da in meiner Umgebung so wenige Leute Schach spielten, suchte ich neue Freunde, mit denen ich mein damaliges Lieblingsspiel spielen konnte.
Ich sandte eine Postkarte an den ORF, der hatte beim Teletext eine Brieffreunde-Seite, was sozusagen der Großvater der Internet Dating Seiten war. (Die Seite gibt es heute leider nicht mehr.)
„Georg, 10 Jahre, Hobbys: Schach, Schi fahren, lesen“ wurde veröffentlicht. Ich bekam tatsächlich 30 Briefe von Mädchen, die alle meine Brieffreundinnen werden wollten. Aber nur zwei von ihnen konnten auch wirklich Schach spielen, stellte sich heraus. Allen Nicht-Schachspielerinnen schrieb ich höflich zurück, dass ich an ihnen kein Interesse hätte. Nur mit den beiden Schachspielerinnen korrespondierte ich weiter.
Ich fing an, eine Partie Briefschach mit ihnen zu spielen. Die eine verlor gleich nach ein paar Zügen, sie schrieb mir nie wieder. Die andere gewann gegen mich nach einem halben Jahr und 32 Briefen. Das war wenig überraschend, sie war nämlich Jugend Schach-Landesmeisterin, was sie mir aber vorher verschwiegen hatte. Der schrieb ich dann nie wieder.
Aber zurück zu meinem ersten Mal.
Wenn ich alleine zu Hause war, ging ich in unser Wohnzimmer, sperrte sicherheitshalber die Tür hinter mir zu, ließ die Rollos herunter und schaltete das Licht ein. Niemand durfte mich dabei sehen!
Und wie Sie sicher aus eigener Erfahrung wissen, kommen 10-jährige auf ganz seltsame Ideen, wenn sie allein daheim sind.
Ich war zum Beispiel der festen Überzeugung, dass man beim ersten Sex explodiert.
Bumm und weg!
Nein, also nicht der ganze Körper würde zerfetzt werden, das wusste ich schon. Aber irgendetwas explodierte da. Aber was? Ich hatte einmal Ältere belauscht, die sprachen jedenfalls von einer „Explosion“. Es klang wirklich sehr gefährlich für mich.
„Vielleicht explodiert ja das Ohr?“ dachte ich mir. Das war für mich noch am ehesten nachvollziehbar. Weil ich ja auch gehört hatte, dass man beim Sex laut schreien würde. Musste wohl sehr wehtun…
Und wenn man mit dem Sex fertig war, dann schrie man dem anderen ins Ohr, etwas explodierte dort und der andere hatte dann einen Ohrgasmus.
Aber es war für mich natürlich sehr schwierig, gesicherte Informationen darüber zu bekommen. Der gleichaltrige Nachbarsbub wusste auch nicht mehr als ich.
Mir war das Küssen schon suspekt. Wieso zur Hölle sollte man ein Mädchen küssen? Was bringt das überhaupt – außer Lippenherpes?

Wie war denn Euer erstes Mal? | Foto: © madhourse – Fotolia.com
Nach dem heimlichen Studium einiger Informationsbroschüren (Bravo, Popcorn usw.) kam meine Fantasie ein wenig auf die Sprünge. Ich las zum Beispiel, dass man ein Kondom nicht doppelt benutzen sollte. Also nicht zuerst einmal benutzen, dann das Kondom umdrehen, und noch einmal benutzen. Es half auch nichts, wenn man das Kondom nach dem ersten Mal abwaschen würde.
Gut, ich merkte mir das. Falls ich jemals ein Kondom haben würde – was auch immer das genau ist – ich würde es nur einmal benutzen. Und ich würde auch nur ein Kondom pro Sex gebrauchen, wenn man nämlich zwei drüber zieht, ist das nicht sicherer, sagte ein Herr Dr. Sommer.
Also ist es etwas zum Anziehen?
Ist ja auch egal, ich explodiere dabei sowieso, wozu also groß darüber nachdenken.

War alles Banane? | Foto: © Olga Struk – Fotolia.com
Nachdem ich mich also halbwegs informiert hatte, lud ich meine beste Freundin, die gleich alt war, eines Nachmittags zu mir ein. Meine Eltern waren unterwegs, ich hatte sturmfreie Bude! Ich ging mit ihr in unser Wohnzimmer, sperrte die Tür zu. Sie kannte sich nicht wirklich aus, was ich wollte. Ich erklärte ihr, dass ich eine Überraschung für sie hätte und es ihr sicher Spaß machen würde. Ich machte dann das Rollo zu und schaltete das Licht ein.
War ich aufgeregt! Jetzt sollte es also passieren, mein erstes Mal! Ich ging zu unserem Plattenspieler. Meine Eltern hatten eine große LP- und Single Sammlung. Ich suchte die meiner Meinung nach richtige Single heraus, legte sie auf. Das Auflegen war nicht so leicht, weil der Plattenspieler auf einem hohen Kasten stand. Ich musste auf einen Sessel steigen, damit ich den Plattenteller erreichen konnte.
Ich mochte damals die Rolling Stones sehr, ich wählte „Let’s spend the night together“ aus. Mir gefiel das Lied außerordentlich gut, sie kannte es noch nicht.
Wir tanzten wild zu dem Lied. Sie zog dann ihren Pullover aus, es war ihr heiß geworden. Ich zog meinen auch aus. Sie wollte mich heiraten, mir war das egal.
Dann bereitete ich alles vor. Die Wohnzimmer Couch konnte man umlegen, ein Bett daraus machen. Ist doch viel gemütlicher, dachte ich mir. Sie legte sich hin. Die nächste Platte war aus, ich legte noch eine auf. Ich sagte zu ihr: „Noch eine Platte, dann fang ich an!“
Mein Herz schlug wie wild! Jetzt war es also soweit!
Ich stieg auf den Sessel, hatte den Rücken zu ihr gewandt. Ich nahm das Gerät heraus, so eines hatte sie sicher noch nie gesehen! Es war ziemlich groß, ich glaube, es hatte 20 Zentimeter. Sie lachte mich aus. Sie lachte, weil mir das Gerät nämlich runter fiel. War mir das peinlich!
Ich konnte das Gerät, nämlich das verflixte Mikrofon, nicht in den Ständer tun, ich war zu ungeschickt. Ich probierte es noch einmal, dann ging es.
Die Platte war aus, ich schaltete das Mikrofon ein, die Kassette war eingelegt, ich drückte den Aufnahmeknopf. Und dann sprach ich meine ersten Worte vor Publikum. Ich nahm also eine Live-Radioshow auf.
Das war mein erstes Mal. Und es war echt geil!

Das erste Mal | Foto: © Picture-Factory – Fotolia.com
Martina lachte über meine Geschichte. Ihre Geschichte sei bei weitem nicht so aufregend, sagte sie mir. Sie war 17 Jahre alt beim ersten Mal. Finster war es und schnell gegangen ist es. Mehr gibt es nicht zu erzählen, sagte sie.
Und ich solle sofort aufhören, sie anzustarren wie weiland Rudolph Valentino, wenn er gamsig war. Ich protestierte. Würde ich wie Valentino aussehen, dann wäre ich ja komplett schwarz weiß, so wie alle Schwarz-Weiß Stars. Und schließlich habe ich braune Haare.
Es muss schon eine harte Zeit gewesen sein, dachte ich laut weiter nach. Wenn man damals in den 1920er Jahren zum Film wollte, durfte man nur schwarz weiß sein. Alles andere, farbige, konnten die damals ja gar nicht filmen, das war unsichtbar für die Kameras. Die Technik musste erst erfunden werden.
Am späteren Abend spazierten wir Hand in Hand durch die Wiener Innenstadt und philosophierten über Gott und die Welt. Auf einer Parkbank sitzend küssten wir uns. Aber das wurde ihr schnell zu heiß. Nach dem Kuss verabschiedete sie sich und verschwand in der Nacht. Ich war trotzdem gut gelaunt, spazierte heim.
In der Nacht hatte ich einen seltsamen Traum.
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